Etwas Blut verrät einer Schwangeren, ob ihr Baby behindert sein wird. Solche Tests sind okay, sagt Ex-Ministerin Ulla Schmidt. Nur nicht für alle und nicht ohne Beratung. INTERVIEW:
Über einen einfachen Test des Blutes einer Schwangeren können Mediziner erkennen, ob ein Ungeborenes das Down-Syndrom oder andere Erbgut-Defekte hat. Wird etwas gefunden, müssen werdende Eltern entscheiden, ob sie das Kind behalten. Der neue Gentest ist ungefährlicher als die bisher eingesetzte Fruchtwasseruntersuchung. Krankenkassen wollen die Kosten deshalb übernehmen. Niemand muss solche Tests machen lassen. Sollte die Mehrheit die moderne Pränataldiagnostik künftig nutzen, könnten manche Behinderungen aus der Gesellschaft verschwinden. Wollen wir das?
Ulla Schmidt (SPD), Vizepräsidentin des Bundestages, engagiert sich als Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung. Die ehemalige Gesundheitsministerin hält die Diagnostik in der Schwangerschaft für unverzichtbar, jedoch mit Einschränkungen.
ZEIT ONLINE: Frau Schmidt, der Bluttest auf das Down-Syndrom ist nur eine Form der Pränataldiagnostik, die Fruchtwasseruntersuchung wird seit Langem praktiziert. Meinen Sie nicht, dass die vorgeburtlichen Untersuchungen eingeschränkt oder strenger geregelt werden müssten?
Ulla Schmidt: Nein. Es wäre nicht möglich, auf diese Diagnostik völlig zu verzichten. Aber wir fordern, dass eine sehr gute Beratung angeboten werden muss, dass junge Paare oder alleinstehende Frauen gut aufgeklärt werden – auch über Hilfsangebote für den Fall eines behinderten Kindes. Und wir fordern, dass diese Tests wirklich auf die Risikoschwangerschaften beschränkt bleiben. Wir sind gegen die Anwendung als Reihenuntersuchung, also bei jeder Schwangeren im Land.
ZEIT ONLINE: Sehen Sie denn einen qualitativen Unterschied zwischen den herkömmlichen Fruchtwasseruntersuchungen und den neuen Bluttests?
Schmidt: Man muss klar sagen: Der Bluttest ist besser. Wenn also untersucht werden soll, und man die Wahl zwischen Fruchtwasseruntersuchung und Bluttest hat, dann ist der risikoärmere Bluttest angebracht. Nur, wenn Mediziner das anbieten, müssen sie sich auch über das Risiko der Falschbefundung im Klaren sein. Und sie müssen das den Frauen oder Paaren auch klar sagen. Schon deswegen ist die Anwendung als Reihenuntersuchung viel problematischer als die Anwendung im Einzelfall einer Risikoschwangerschaft.
ZEIT ONLINE: Nun geht es um die Frage, ob dieser Test auch von den Krankenkassen bezahlt werden soll. Kritiker sehen darin eine Diskriminierung von Behinderten.
Schmidt: Das würde ich auch so sehen, wenn der Test als Reihenuntersuchung praktisch bei jeder festgestellten Schwangerschaft gemacht würde.
ZEIT ONLINE: Das steht aber nicht in Rede.
Schmidt: Wenn nur im Risikofall getestet wird, als Alternative zur Fruchtwasseruntersuchung, die ja auch von den Kassen getragen wird, dann muss der Bluttest ebenfalls Kassenleistung sein. Es kann nicht sein, dass nur Wohlhabende sich die sichere Untersuchung leisten können.
ZEIT ONLINE: Vielleicht wird aber die Zahl der untersuchten Schwangerschaften insgesamt zunehmen?
Schmidt: Da muss man realistisch sein. Niemand wird diesen risikoarmen Test dadurch verhindern, dass er privat bezahlt werden muss. Und wenn der G-BA dass so entscheidet, hat immer noch das Bundesministerium für Gesundheit die Aufsicht und kontrolliert, ob alles im Rahmen der Gesetze bleibt – zum Beispiel dass Beratung nach dem Gendiagnostikgesetz gewährleistet ist.
ZEIT ONLINE: Bundesgesundheitsminister Gröhe könnte ja die Zulassung stoppen.
Schmidt: Ja, aber er muss gute Gründe haben. Dass geht nur bei einem Verstoß gegen das Gesetz. Herr Gröhe kann nicht einfach mal so die Zulassung verbieten.
ZEIT ONLINE: Man müsste also die pränatale Diagnostik insgesamt verbieten?
Schmidt: Genau, aber dafür wird keine Mehrheit im Parlament zu bekommen sein.
ZEIT ONLINE: Was kann man also tun?
Schmidt: Wir möchten die gesellschaftliche Erwartung ändern, dass bei einem Down-Syndrom die Entscheidung zum Abbruch fällt. Ich kenne betroffene Kinder, das sind fröhliche und glückliche Menschen. Es gibt sogar Eltern, die ein Kind mit Down-Syndrom adoptieren, weil sie sagen, dass diese Kinder für sie ein Quell der Freude sind.