Um die Umwelt zu schützen, will die Regierung bei Getränken Einweg und Mehrweg besser kennzeichnen – ein fragwürdiger Plan.
Ein interner Vermerk des Umweltbundesamtes weckt Zweifel am Sinn eines Vorhabens, mit dem die Bundesregierung die "ökologische Verantwortung" der Bürger stärken will. Die Sache betrifft jeden, der gelegentlich Getränke kauft und sich dabei zwischen Einweg und Mehrweg entscheiden muss, also alle Konsumenten. Doch anstatt deren ökologische Verantwortung zu stärken, könnte sie sogar geschwächt werden. Denn anders als die Regierung behauptet, hilft ihr Vorhaben den Kunden nicht wirklich dabei, eine Kaufentscheidung zu treffen, die "ihren ökologischen Ansprüchen genügt".
Union und FDP hatten den Plan bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Inzwischen hat das Projekt nicht nur Gestalt angenommen, sondern auch einen Namen. Es heißt GvpHpV. Dieses Kürzel steht für die geplante "Verordnung über die Hinweispflichten des Handels beim Vertrieb bepfandeter Getränkeverpackungen". Sie verpflichtet die Verkäufer von Bier, Limonade, Mineralwasser und Alkopops, "in unmittelbarer Nähe zum Produkt deutlich sicht- und lesba-re Informationstafeln oder -schilder" mit der Aufschrift "EINWEG" oder "MEHRWEG" anzubringen. Auf diese Weise solle "der nachhaltige Konsum gestärkt werden", heißt es in der Begründung.
Weil viele Verbraucher Pfand mit Mehrweg gleichsetzen, hat die seit zehn Jahren staatlich verordnete Bepfandung von Einwegverpackungen tatsächlich zu "Irritationen" geführt, haben Marktforscher festgestellt. Die geplanten Hinweisschilder sollen nun für Klarheit sorgen und die Verbraucher veranlassen, wieder vermehrt Mehrweg zu kaufen, wegen der "eindeutigen ökologischen Vorteile", wie die Regierung meint. Das Kabinett hat die Verordnung bereits beschlossen, der für den Bürokratieabbau zuständige Normenkontrollrat hat sie geprüft. Nur der Bundesrat muss noch zustimmen. Ende nächster Woche berät die Länderkammer den Plan – womöglich mit der Erkenntnis, dass er überflüssig ist.
Tatsächlich regeln die fünf im Hause von Umweltminister Peter Altmaier ersonnenen Paragrafen ein Problem, das sich sogar aus Sicht der obersten zuständigen Fachbehörde des Bundes verflüchtigt hat. Das Umweltbundesamt (Uba) hat jedenfalls herausgefunden, dass Einwegflaschen aus Polyethylenterephthalat (Pet) "in einem Pfandsystem mit hochwertiger werkstofflicher Verwertung unter durchschnittlichen deutschen Verhältnissen nicht mehr schlechter abschneiden als Mehrweg-Glasflaschen", so ein interner Vermerk der Behörde ("Neubewertung Einweg/Mehrweg"). Das heißt: Plastik ist nicht schlechter als Glas.
Dass die Ökobilanz der Einweg-Plastikflaschen mittlerweile so erfreulich ist, liegt an dem geringen Transportgewicht des Kunststoffs. Außerdem können Plastikflaschen viel besser recycelt werden, seitdem sie, dank Pfandsystem, sortenrein gesammelt werden. Beides gilt selbstverständlich auch für Mehrwegflaschen aus Plastik. Es ist deshalb nicht überraschend, dass laut Uba Mehrwegflaschen aus Plastik sogar besser abschneiden als die schwereren Mehrwegflaschen aus Glas – umso mehr, je länger der Transportweg ist. "Diese Information haben wir bisher nicht hervorgehoben, da dies VerbraucherInnen verwirren könnte...", heißt es in dem Vermerk der Behörde.
Mit anderen Worten: Die Ökobilanz von Getränkeverpackungen hängt immer weniger von der Verpackung ab – und immer mehr von der Herkunft des Inhalts: Was in der Nähe hergestellt wird, ist ökologisch sinnvoller. Darüber geben die laut Verordnungsentwurf geplanten Hinweisschilder aber keine Auskunft. Spricht sich das herum, könnte mancher Verbraucher, dessen "ökologische Verantwortung" die Regierung stärken will, sich fragen, wie verantwortungsvoll eigentlich die Umweltpolitik der Regierung ist.
Dosen und Einweg-Glasflaschen lassen laut Uba übrigens ökologisch noch immer zu wünschen übrig. Dosen sind freilich auch ohne Hinweis als Einweg erkennbar. Und Einweg-Glasflaschen haben einen Marktanteil von weniger als einem Prozent.