Konsumforschung

Labormäuse am Kassenband

 


Diese Woche: Lebensmittelhändler. Von Duftsäulen und Bremszonen – wie Kunden im Supermarkt manipuliert werden.

Man geht in den Supermarkt, um Butter und Bananen zu kaufen, und kommt mit einer Tütensuppe und Eiscreme wieder heraus. Wie das passieren kann? »70 Prozent der Kaufentscheidungen werden am Point of Sale getroffen«, sagt Julia Rösler. Point of Sale heißt: im Laden. Röslers Job ist es, für die richtigen Bedingungen zu sorgen, damit im Einkaufswagen die Suppe von Knorr und das Eis von Langnese landen. Die 49-Jährige macht »Category Management« für Unilever, einen der größten Konsumgüterhersteller der Welt. Category Manager, noch so eine Branchenvokabel. Regalkonzepte entwerfen und Erlebniswelten schaffen, darum kümmert sich Rösler. Die promovierte Literaturwissenschaftlerin ist Markenbotschafterin im Unilever-Universum. Sie erklärt Ladenbesitzern, wie sich Bertolli-Nudeln, Rama-Margarine und Pfanni-Gemüse besser verkaufen lassen. So etwas lässt sich steuern.

Die Grundlage dafür liefern 10.000 Menschen, die Unilever hierzulande jedes Jahr unter die Lupe nimmt. Röslers Kollegen besuchen die Verbraucher zu Hause, gehen mit ihnen einkaufen, schicken sie ins Testlabor. Sie befragen, beobachten, sammeln Unmengen von Daten. Alles, um herauszufinden, wie die Einkäufer in Deutschlands Supermärkten ticken. Rösler nennt sie »Shopper«.


DIE TRICKS DER VERKÄUFER
Die Marketingexperten haben zum Beispiel herausgefunden, dass der Deutsche für den täglichen Bedarf in verschiedenen Läden einkauft, im Schnitt besucht er neuneinhalb Einkaufsstätten. Kauft er in einem Laden regelmäßig ein, bewegt er sich meist auf dem immer gleichen Weg durch die Regale. Vor dem Margarineregal verweilt er durchschnittlich 18 Sekunden, in der Obst- und Gemüseabteilung eine Minute und 44 Sekunden. Der Einkäufer in Deutschland ist preisbewusster als in anderen Ländern, er liebt Einkaufslisten, kauft am Ende aber fast immer mehr, als auf dem Zettel steht. Bei einem Wochenendeinkauf legt er an der Kasse im Schnitt 40 Produkte aufs Band. Der Supermarktbesucher ist besser erforscht als jede Labormaus.

Platz für mehr
Das Gefährt samt Korb wurde im Laufe der Zeit immer größer – damit Kunden eher der Illusion erliegen, es befänden sich ja erst wenige Waren darin. Der Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass der Boden des Korbes zum Schiebenden hin abgesenkt ist, sodass die Waren leicht aus dem Sichtfeld kullern oder rutschen.

Bremszone am Eingang
Verbringen Kunden mehr Zeit im Geschäft, kaufen sie auch mehr. Deshalb müssen Leute, die in eine Einkaufspassage oder ein Geschäft stürmen, erst einmal abgebremst werden, etwa durch Dreh- oder Schiebetüren, die sich erstaunlich langsam öffnen.

Nach durchschnittlich 13 Minuten und 45 Sekunden verlässt er den Supermarkt wieder. Drei Viertel dieser Zeit hat er mit Suchen verbracht, nur ein Viertel mit Kaufen. »Nichts ist schlimmer als ein Shopper, der nicht findet, was er sucht«, sagt Rösler. Wer vergeblich sucht, ist frustriert. Vor allem Männer verlieren schnell die Lust. Lieber gehen sie ohne das Duschgel nach Hause, als die Regale danach zu durchforsten. »Für Männer ist Einkaufen ein Auftrag«, sagt Rösler. Und den wollen sie schnell erledigen.

Frauen hingegen lassen sich mehr Zeit beim Begutachten, Prüfen und Auswählen der Produkte. Sie verbringen doppelt so viel Zeit in Verbrauchermärkten wie Männer. Kein Wunder. Für den normalen Mann bedeutet Einkaufen Stress. Untersuchungen belegen, dass sein Pulsschlag schon nach kurzer Zeit im Laden von 66 auf 130 schnellt.

Ist der Mann angespannt, spürt das auch die Frau. In männlicher Begleitung verweilen Frauen nur halb so lang in einem Geschäft, als wenn sie mit einer Freundin unterwegs sind. Männer vernichten also allein durch ihre Anwesenheit wertvollen Umsatz. Erfolgreiche Händler versuchen deshalb, Frau und Mann so früh wie möglich zu trennen. Auch deshalb stehen Artikel für die weibliche und männliche Körperpflege meist an getrennten Plätzen.

Wer gestresst ist, kauft weniger ein. Deshalb will Julia Rösler den Einkauf so angenehm wie möglich gestalten. »Eine gute Orientierung ist das A und O«, sagt sie. Im Knorr-Regal sieht das so aus: In der Mitte stehen die häufig gekauften Fix-Gerichte für den Hackbraten, das Jäger-Schnitzel, das Wildgulasch. »Ankerprodukte« nennt Rösler sie. An ihnen kann sich der Verbraucher orientieren. Rechts und links finden sich die Tütensuppen und Fertigsoßen. Neuheiten werden dort platziert, wo der Blick zuerst hinfällt: in der Sichtzone. Bratensoßen hingegen gehören ins unterste Regal, in die Bückzone, wo der Käufer in die Knie gehen muss. Dort stehen billige Produkte und Dinge für den täglichen Bedarf, sogenannte Schnelldreher. Milch zum Beispiel braucht man ständig, da soll der Kunde sich ruhig bücken.

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