Drei Frauen in Brüssel haben einen Plan: Sie wollen das Leerfischen der Meere stoppen. Eine Revolution – wenn das EU-Parlament heute zustimmt.
Vielleicht brauchte es drei Frauen, damit die Revolution gelingt: Ulrike Rodust, eine ehrgeizige SPD-Europaabgeordnete aus dem Örtchen Holzdorf an der Ostsee. Ihre Freundin Maria Damanaki, die griechische EU-Fischereikommissarin. Und Isabella Lövin, eine schwedische Journalistin und Fischereifachfrau der Grünen-Fraktion.
Dem Trio könnte dieser Tage gelingen, woran Umweltschützer jahrelang scheiterten: dem zügellosen Leerfischen der Meere ein Ende zu bereiten. An diesem Mittwoch stimmt das EU-Parlament über den Entwurf zurReform der europäischen Fischereipolitik ab, den sogenannten "Rodust-Report". Es ist ein Papier, das die Handschrift der drei Frauen trägt. Damanki hat es geschrieben, die SPD-Frau Rodust hat die 2.500 Änderungsanträge der Abgeordneten eingewebt, Lövin kämpfte für den Entwurf in stundenlangen Verhandlungen mit dem konservativen Fischereiausschuss.
Stimmt das Parlament zu, wäre dies nicht nur ein historischer Moment in der Geschichte des EU-Parlaments. Zum ersten Mal darf das Parlament in der Fischereipolitik mitreden, die Fischereiminister können diesmal nicht im Alleingang entscheiden. Eine Zustimmung wäre auch ein "riesiger Erfolg für Europas Meere und Fischer", sagt Rodust. Für sie ist die Reform inzwischen "die wichtigste politische Aufgabe meines Lebens".
Worum geht es genau? Es geht um den Fisch auf unserem Teller, ums Krabbenbrötchen im Nordseeurlaub, um die Fischstäbchen auf dem Kindergeburtstag. Denn so beliebt Fisch auch ist: Wird weiter gefischt wie bisher, dann bedeutet das wohl das Ende der europäischen Fischerei. 47 Prozent der atlantischen Bestände und mehr als 80 Prozent der Mittelmeerbestände gelten heute unter Wissenschaftlern als überfischt.
Die Hälfte der gefangenen Fische ist so klein und jung, dass sie sich noch nicht einmal fortpflanzen konnten. Das hat nicht nur dramatische Folgen für die Natur, sondern am Ende auch für die Fischer. Sie müssen sich mit einem enormen Kosten- und Personalaufwand auf die Suche nach den letzten Fischen machen. Inzwischen schicken sie gigantische Fischtrawler los, vor allem nach Afrika, weil Europas Meere leer sind.
In der Fischereipolitik zeigte die EU bisher ihre hässliche Seite
Alle zehn Jahre überarbeitet die EU ihre Fischereipolitik – nun steht die nächste Reform an. Sie ist dringend nötig, denn bisher geht es zu wie auf einem türkischen Basar: Jedes Jahr im Dezember verhandeln die Fischereiminister in einer nächtlichen Marathonsitzung in Brüssel die Fangquoten für das nächste Jahr. Ob Scholle oder Hering, für jede Fischart legen sie eine maximale Fangmenge fest. Fischer, die Quoten haben, dürfen genau diesen Fisch fangen und später verkaufen.
Zwar liegen den Ministern in der Nacht zahlreiche wissenschaftliche Empfehlungen vor, damit die Bestände nicht kollabieren. Doch die Ratschläge werden in der Regel ignoriert. Schließlich sind die Quoten ein Milliardengeschäft. Was stattdessen zählt, sind Arbeitsplätze im Fischereigewerbe, Wählerstimmen im Heimatland der Minister. Südländer wie Spanien und Frankreich verteidigen ihre gigantischen Fangflotten. Nordländer wie Schweden, die auf eine ökologischere Politik pochen, ziehen oft den kürzeren. Diese Nachtsitzungen sind die hässliche Seite der EU.