Von Michael Braun
Die Deutsche Bank will trotz Kritik weiterhin Geld mit Nahrungsmittelspekulation verdienen, hat der Co-Chef Jürgen Fitschen angekündigt. Er stützt sich auf Untersuchungen eines Wirtschaftsethikers, wonach kein Zusammenhang mit dem Hunger in der Welt belegt werden könne. Das sehen Verbraucherorganisationen anders.
War es Lust an der Provokation, Druck seiner Investmentbanker oder schlicht die Meinung, Geschäfte ohne böse Nebenwirkungen sollten auch getätigt werden können? Egal, Jürgen Fitschen dürfte um den Aufschrei gewusst haben, als der Co-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank auf der Grünen Woche angekündigte, auch künftig mit Nahrungsmittelspekulationen Geld verdienen zu wollen. Vor knapp einem Jahr hatte die Bank entschieden, vorerst keine neuen Anlageprodukte auf Grundnahrungsmittel zu verkaufen. Sie wollte abwarten, was eine wissenschaftliche Studie zur Wirkung und ethischen Bewertung solcher Geschäfte für Ergebnisse bringe. Diese Ergebnisse liegen vor. Ingo Pies, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, ist Mitautor der Studie, auf die die Deutsche Bank gewartet hatte. Er berichtet, was er untersucht hat:
"Wir haben 35 Studien untersucht. Man hat genau analysiert, wie war der Einfluss dieser Indexspekulationen einmal auf die Volatilität der Agrarpreise, also auf das Auf und Ab? Und zum zweiten: Wie war der Einfluss auf das Preisniveau? Hat man also hier eine kausale Verursachung für die starken Agrarpreissteigerungen in den Jahren 2008 und 2011?"
Pies versichert, die insgesamt 35 untersuchten Studien repräsentierten umfassend den wissenschaftlichen Erkenntnisstand zum Thema. Das Ergebnis:
"Es gibt keine belastbaren Belege für diese Vorwürfe, die im politischen Raum kursieren. Deswegen kann man sagen: Die wissenschaftliche Literatur gibt hier Entwarnung und der zivilgesellschaftliche Alarm muss nach dem heutigen Kenntnisstand als Fehlalarm eingestuft werden."
Natürlich bestreitet Pies nicht, dass die Agrarpreise in den letzten Jahren gestiegen seien. Das habe aber realwirtschaftliche Gründe, etwa die Förderung der Bioenergie, die der Nahrungsmittelproduktion Konkurrenz gemacht habe. Oder die gewachsenen Einkommen in vielen Schwellenländern, die die Ernährungsgewohnheiten geändert hätten. Die hatte David Milleker, der Chefvolkswirt von Union-Invest, einmal so erklärt:
"In den Entwicklungs- und Schwellenländern entstehen jetzt zunehmend Mittelschichten. Diese Mittelschichten ändern ihre Nahrungs- und Essensgewohnheiten so, dass sie mehr Fleisch zu sich nehmen. Das ist eine proteinhaltige Nahrung. Und das bedeutet, dass wir das Sechs- bis Zehnfache an Rohstoff-Input in die Produktion dieser Fleisch-Lebensmittel stecken müssen wie in die für normales Getreide."
Das führe dann eben zu höheren Preisen: Ein Argument, das die Nichtregierungsorganisation Foodwatch so falsch findet, dass sie es nicht mehr hören will. Harald Schumann ist in einer Studie für Foodwatch voriges Jahr zu anderen Ergebnissen gekommen:
"Ich muss zugeben: Diese Behauptung macht mich inzwischen wütend. Man kann inzwischen nachweisen, dass es riesige Preissprünge gibt, die mit Veränderungen bei Angebot und Nachfrage auf dem tatsächlichen, auf dem physischen Markt überhaupt nichts mehr zu tun haben."
Die Hallenser Wissenschaftler haben sich auch diese Studie angeschaut - und waren nicht überzeugt. Ingo Pies:
"Ich habe in eigenen Veröffentlichungen insbesondere der Studie von Foodwatch schwere handwerkliche Fehler nachgewiesen. In dieser Studie gibt es keine wissenschaftliche Literatur, auf die man sich beruft. Sondern man beruft sich auf Angaben zivilgesellschaftlicher Organisationen in den USA, von Nicht-Wissenschaftlern."
Dennoch bleibt die Organisation Foodwatch bei ihrer Meinung: "Die Deutsche Bank", sagte Foodwatch-Gründer Thilo Bode der Nachrichtenagentur Reuters, handele mit ihrer Entscheidung, weiterhin Finanzinstrumente auf Agrarprodukte anbieten zu wollen, "in hohem Maße unverantwortlich".