Vorsicht, der Konsum von Alkohol kann Ihr Leben verkürzen. Warnhinweise wären möglicherweise nicht nur auf Zigarettenschachteln, sondern auch auf Wein- oder Bierflaschen angebracht. So scheint übermäßiger Alkoholgenuss sogar gravierendere Auswirkungen auf unsere Lebenserwartung zu haben als das Rauchen.
"Es ist erschreckend wie extrem Alkohol die Lebenszeit verkürzt," sagt der Epidemiologe Ulrich John über die Ergebnisse seiner Studie. Wer abhängig ist, lebt im Durchschnitt etwa 20 Jahre kürzer. Das hat JohnsForschergruppe von der Universität Greifswald ausgewertet: In einer epidemiologischen Studie haben sie 4.070 zufällig ausgewählte Personen aus Lübeck und Umgebung 14 Jahre lang beobachtet. Dabei befragten sie die Männer und Frauen nach deren Suchtverhalten und ermittelten ihre Sterbewahrscheinlichkeit. 149 Personen stuften die Wissenschaftler als alkoholabhängig ein. Unter ihnen starben Männer im Durchschnitt mit 58, Frauen mit 60 Jahren. Ihre gesunden Mitmenschen hingegen erreichen ein Alter von durchschnittlich 77 Jahren, wenn sie männlich sind und 82 Jahren, wenn sie weiblich sind.
Seit Jahren schon ist die Zahl der Deutschen mit Alkoholproblemen hoch. 9,5 Millionen Bundesbürger zeigen ein riskantes Trinkverhalten, 1,3 Millionen sind abhängig, konstatieren die Autoren des Drogen- und Suchtberichts 2012. Mehr als ein Glas Bier täglich sollte niemand trinken, etwa ein viertel Liter für die Frau und ein halber Liter für den Mann. Das entspricht 12 Gramm Alkohol pro Tag für Frauen und 24 Gramm für Männer. "Alles darüber ist riskant für unsere Gesundheit", sagt John. "Oft ist zudem nicht die Trinkmenge entscheidend. Da jedes Organ anders reagiert, können schon kleine Mengen Schaden anrichten." Zusammengenommen sei sogar jeder fünfte Todesfall in Deutschland auf Alkohol- und Tabakkonsum zurückzuführen.
Frauen leiden besonders stark
"Besonders überrascht hat uns, wie stark alkoholabhängige Frauen betroffen waren", sagt John. Ihre Sterblichkeit ist fast fünfmal höher verglichen mit gesunden Frauen. Warum Alkohol Frauen stärker schadet, ist allerdings nur ansatzweise geklärt. "Sie sind von der körperlichen Konstitution her anfälliger. Bei ihnen sehen wir Folgeschäden früher als bei Männern", sagt Ingo Schäfer. Das allein könne aber kaum der Grund sein, meint der psychiatrische Oberarzt in der Suchtambulanz am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Oft kämen versteckte Probleme und Zweiterkrankungen hinzu: "Gerade bei Frauen ist die Sucht eng verknüpft mit den Biographien. Körperliche Gewalt und sexueller Missbrauch sind oft der eigentliche Auslöser der Sucht", erklärt der Psychiater Schäfer, "behandeln wir dann nur spezifisch die Sucht, ist ein Rückfall vorprogrammiert". Wichtig sei in dem Fall eine Therapie, die auch die Ebene erfasst, die hinter der Sucht steht, etwa eine posttraumatische Belastungsstörung oder eine Depression.