Über die EU-Pläne zur Frauenquote
Von Ines Pohl, "taz"
Ich kenne niemanden, der die Quote wirklich mag. Ich auch nicht. Auch wenn ich als taz-Chefredakteurin ja durchaus selbst eine Quotenfrau bin.
Und es ist auch sehr richtig, dass die Frauenquote kein Allheilmittel ist, sondern ein Kulturwandel auch weitere Maßnahmen braucht, dass Instrumente wie das Ehegattensplitting es den Frauen strukturell erschweren, eine berufliche Karriere anzustreben, fehlende Kinderbetreuung und kein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen ihr Übriges tun. Und trotzdem.
Es führt kein Weg vorbei an diesem Miststück.
Hier spricht nicht die weibliche Intuition aus mir, hier sprechen knallharte Fakten ganz allein für sich. Elf Jahre lang gab es in Deutschland die freiwillige Vereinbarung zwischen der Wirtschaft und der Bundesregierung, Frauen gerade auch auf ihrem Weg in die Chefetagen zu fördern.
Aber leider ohne eine einzige Zielzahl, ohne Frist und ohne Verbindlichkeit.
Und so blieben diese Worte dürftige Lippenbekenntnisse, die an der Realität so gut wie gar nichts ändern. Ein weiterer Beleg dafür, dass sich in diesem Bereich ohne Zwang nichts tut. Dass es also nur mit ganz konkreten Vereinbarungen und angekündigten, glaubwürdigen Sanktionen geht.
Eine Erkenntnis, die übrigens auch Wirtschaftsbosse selbst verbreiten, wenn sie es mit der Gleichberechtigung ernst nehmen. Thomas Sattelberger beispielsweise, der Personalvorstand der Deutschen Telekom, dem ersten deutschen DAX-Unternehmen mit Quote, wird nicht müde zu betonen, dass es anders nicht geht. Schade. Aber wahr. Entsprechend richtig und gut ist es, dass Viviane Reding ab 2020 eine Quote von 40
Prozent des jeweils "unterrepräsentierten Geschlechts" in Aufsichtsräten europaweit gesetzlich verankern und so de facto Frauen in den Chefetagen fördern will. Aus deutscher Perspektive hat Reding, die durchsetzungsstarke EU-Politikerin, die schon die verbraucherfreundliche Deckelung der Roaming-Gebühren gegen erhebliche Widerstände durchgeboxt hat, den Zeitpunkt für diesen Vorstoß gut gewählt wählt. 2013 und dann wieder 2018 wird ein Großteil der Aufsichtsräte neu gewählt.
Und es waren ja schon oft europäische Vorgaben, die wichtige Entwicklungen auch in Deutschland vorangetrieben haben, das gilt im Umweltbereich, bei Sicherheitsstandards und vor allem im Verbraucherschutz. Und gerade in Sachen Frauenförderung braucht Deutschland sehr offensichtlich ordentlich Nachhilfe von außen.
Der Anteil von weiblichen Führungskräften bewegt sich branchenübergreifend auf einem Niveau, das ein Land, das sich selbst als aufgeklärt bezeichnet, beschämen muss. Basta. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass wir eine Kanzlerin haben. Im Gegenteil wird dies gerne benutzt, um eine gesellschaftliche Entwicklungsstufe vorzugaukeln, die mit der Realität wenig zu tun hat.
Bei 14 Prozent liegt der Chefinnenanteil in deutschen DAX-Unternehmen.
Bei einem ersten Treffen wurde Reding nun allerdings vor allem von den Briten ausgebremst. Mitte der Woche versuchten sie, das Vorhaben zu unterbinden und dafür die notwendigen Truppen zu sammeln. Das ist ärgerlich, aber noch kein wirkliches Scheitern. Denn der Prozess durchläuft mehrere Instanzen. Und Reding hat sofort angekündigt, sich von einzelnen Ländern nicht aufhalten zu lassen in ihrem europäischen Kampf dafür, Frauen die Macht zu geben, teilzuhaben. Gleichwohl bleibt es bemerkenswert - und letztlich sehr aussagekräftig - wie hartnäckig die Gegner die Frauenquote bekämpfen. Es belegt, wie symbolträchtig dieser Kampf ist - und wie wichtig es ist, so lange dranzubleiben, bis Frauen auch in Chefetagen angemessen vertreten sind. In jedem einzelnen Land und europaweit vernetzt.
Zwar würde es im europäischen Diskurs niemand wagen, zu bezweifeln, dass auch Frauen gute Chefs sein können und gemischte Teams immer besser performen als reine Boygroups. Es ist sehr offensichtlich, warum man sich auf ein so erfolgversprechendes Instrumentarium wie die Quote nicht einigen möchte. Die Angst ist groß vor erfolgreichen Frauen, die mehr werden dürften, wenn sie bei der Besetzung wichtiger Stellen beteiligt werden.
Bisher hat Deutschland sich im aktuellen Abstimmungsprozess zur Einführung einer europäischen Quote enthalten. Auch das ist peinlich - aber muss so nicht bleiben.
Um verkrustete Denk- und Auswahlmuster aufzubrechen und Frauen einen gleichberechtigten Zugang zu allen Positionen zu verschaffen, reichen keine windelweich-flexiblen Wunschgebilde. Es braucht klare Ansagen. Und im Zweifel müssen diese eben von den Wählerinnen und Wählern kommen.