Viele Eltern jüdischen und muslimischen Glaubens lassen ihre Jungen im Kindesalter beschneiden. Seit Jahrhunderten gilt dieser Eingriff in Deutschland als gesellschaftlich und juristisch einwilligungsfähig.
"Für alle in der Bundesregierung ist völlig klar: Wir wollen jüdisches und wir wollen muslimisches religiöses Leben in Deutschland", bekräftigte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Verantwortungsvoll durchgeführte Beschneidungen müssen in diesem Land straffrei möglich sein. Es bereitet uns Sorge, dass die Ausübung dieser uralten religiösen Bräuche sich derzeit hier in Deutschland nicht in einer Situation des Rechtsfriedens befindet."
Die derzeitige Diskussion wurde durch ein Urteil eines Landgerichts ausgelöst. Danach ist eine religiöse Beschneidung als Körperverletzung grundsätzlich strafbar. Das Gericht argumentiert, die Einwilligung der Eltern in die Beschneidung könne die Körperverletzung des Kindes nicht rechtfertigen.
Arzt freigesprochen
Trotzdem hat dieses Landgericht den Arzt, der die Beschneidung durchgeführt hatte, freigesprochen. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es unterschiedliche Rechtsansichten zur Strafbarkeit der Beschneidung aus religiösen Gründen gebe. Deswegen habe der Arzt das vom Gericht angenommene Unrecht seiner Tat nicht erkennen können.
Singuläre Entscheidung
Bei dem Urteil dieses Landgerichts handelt es sich um eine einzelne Entscheidung. Eine breite Mehrheit vertritt die Rechtsauffassung, dass religiöse Beschneidungen von Jungen in der Regel straffrei sein müssen. Von dieser Mehrheitsmeinung weicht das Landgericht ab. Das Urteil entfaltet keine bindende Wirkung für andere Gerichte; sie können anders entscheiden.
Grundgesetz schützt Religionsausübung
Juden und Moslems sollen ihre Religion in Deutschland auch leben können: Die Ausübung der Religionsfreiheit ist in der Bundesrepublik ein verfassungsrechtlicher Grundsatz. Dieser gilt für das Judentum, den Islam und andere Religionsgemeinschaften gleichermaßen.
Bundestag fordert Bundesregierung zur Vorlage eines Gesetzentwurfs auf
Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 19. Juli auf Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP die Bundesregierung aufgefordert "im Herbst 2012 unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperlichen Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist"
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