Aus der Sendereihe "Energiewende – woran hakt's?"
Von Christina Selzer
Bis 2030 sollen 15 Prozent des deutschen Strombedarfs allein aus Windkraftanlagen in der Nord- und Ostsee gedeckt werden. Auf dem Meer weht der Wind stärker als an Land und produziert daher auch viel mehr Strom. Doch neben allen technischen Herausforderungen ist auch der Netzanschluss ein großes ungelöstes Problem.
Der Wind bläst heftig auf dem Meer. Erfreulich für Windparkbetreiber, aber auch für Kunden, die sauberen Strom bekommen sollen. Doch wie gelangt der Strom vom Windrad in unsere Steckdosen? Immer noch ist das Problem nicht gelöst. Nach Berechnungen der DENA, der halbstaatlichen Deutschen Energieagentur, werden bis zu 4500 Kilometer neue Höchstspannungstrassen gebraucht. Stefan Kohler, Chef der DENA, weist darauf hin, dass Offshore kein norddeutsches Problem ist.
"Wir werden zukünftig im Offshorebereich, also in der Nord- und Ostsee, Windparks bauen, wo kein Stromverbrauch ist. Aber der Hauptstromverbrauch ist eben im Süden."
Doch der Ausbau der Stromnetze läuft schleppend. Die Windparks muss der Netzbetreiber Tennet an das Stromnetz anschließen. Doch im November hatte das niederländische Staatsunternehmen angekündigt, am Ende seiner finanziellen Möglichkeiten zu sein. 15 Milliarden Euro Kapital braucht Tennet, um die Investitionen zu stemmen, die für die Ausbaupläne der Bundesregierung notwendig sind. Mit seiner Eigenkapitalbasis kann Tennet aber kaum Kredite in dieser Höhe aufnehmen.
Ein Desaster für die gesamte Branche: Denn alle Planungen und Investitionen sind hinfällig, wenn es keine verbindliche Zusage gibt, ab wann der Strom fließt. Potenzielle Investoren warten daher lieber ab. Ronny Meier von der Windenergieagentur, einem Branchenverband der Windenergie mit Sitz in Bremerhaven, fordert mehr Unterstützung vom Bund.
"Das muss man ernst nehmen, das kann man nicht vom Tisch wischen. Wir als Branche sagen dann, wir müssen mit Bürgschaften und mit Krediten versuchen, diese Finanzklemme lösen."
Es gibt zum Beispiel die Überlegung, dass die staatliche Förderbank KfW finanziell einspringt. Noch ist auch nicht geregelt, wer die Haftung übernimmt, wenn ein Windpark später ans Netz geht, weil die Leitungen fehlen. All dies führe bei Investoren von Offshore-Windparks, in der Zulieferindustrie und der gesamten maritimen Wirtschaft, die überwiegend aus Mittelständlern bestehe, zu großen Verunsicherungen, so Ronny Meier:
"Wir erleben, dass der Markt, dass die Investoren, sehr verunsichert sind. Wir wollen von der Bundesregierung kein Geld geschenkt. Aber wir brauchen ein Signal der Sicherheit. Das könnte so aussehen, dass die Bundesregierung einen Teil des Risikos übernimmt, zum Beispiel das Haftungsrisiko. Das würde Sicherheit in den Markt zurückbringen und auch weitere Investoren anlocken."
Die Zeit drängt. Das hat die Bundesregierung erkannt. In der vergangenen Woche traf sich die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder zu einem Energiegipfel im Kanzleramt. Konkretes wurde nicht beschlossen. Vereinbart wurde lediglich, den stockenden Ausbau der Netze voranzutreiben. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister:
"Wir haben konkret vereinbart, dass wir die Energiepolitik zwischen Bund und Ländern enger abstimmen. Die Ministerpräsidenten werden sich jetzt regelmäßig auch mit der Bundeskanzlerin treffen, um die einzelnen Verfahrensschritte weiter zu besprechen."
19 von 30 genehmigten Offshoreprojekten sollen über Niedersachsen ans Stromnetz angeschlossen werden. Deshalb steht die Landesregierung unter Druck und will mehr Tempo. Die Netzbetreiber liegen beim Ausbau der Stromtrassen weit hinter dem Zeitplan. Wo neue Leitungen gebaut werden sollen, will Bundeswirtschaftsminister Rösler am 4. Juni gemeinsam mit der Deutschen Netzagentur vorstellen.
"Damit werden erstmalig die Trassen deutlich werden, die wir in den nächsten zehn Jahren auf Bundesebene noch brauchen. Größenordnung: Über 4000 Kilometer neue Leitungen. Und dann werden wir in die Diskussion einsteigen, Bund, Länder, Kommunen mit den betroffenen Menschen, um auch dann diesen Netzausbau realisieren zu können."
Schwer einzuplanen ist allerdings, welchen Widerstand die Bürger und Kommunen gegen Stromleitungen organisieren werden. Im Herbst soll aber ein Kompromiss stehen, ein Bundesbedarfsplan für das deutsche Stromnetz.
Energiewende - woran hakt's? Vierteilige Serie über das Vorzeigeprojekt der Bundesregierung