In Deutschland enthalten Bewerbungsunterlagen meistens ein Foto und Angaben über Geschlecht und Alter. Ein Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hat nun gezeigt: Anonymisierung macht Bewerbungsverfahren fairer und stößt bei den Betroffenen auf hohe Zustimmung.
Ein kurzer Blick auf den Namen, das Geschlecht oder das Alter genügt in vielen Fällen, um eine Bewerbung auszusortieren: Vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, ältere Arbeitsuchende und Frauen mit Kindern werden in Bewerbungsverfahren oft benachteiligt. Sie haben deutlich schlechtere Chancen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Das belegen zahlreiche Studien und die Beratungserfahrung der ADS.
Gute Erfahrungen im Ausland
Eine Möglichkeit, gegen die bewusste oder unbewusste Benachteiligung bestimmter Personengruppen vorzugehen, sind anonymisierte Bewerbungsverfahren. Ausgehend von guten Erfahrungen in anderen Ländern hat die unabhängige ADS im November 2010 ein deutschlandweites Modellprojekt gestartet, in dem verschiedene Unternehmen, Behörden und Kommunen anonymisierte Bewerbungsverfahren testeten.
Pilotprojekt in Deutschland
Für je 12 Monate haben Deutsche Post, Deutsche Telekom, L'Oréal, Mydays, Procter & Gamble, das Bundesfamilienministerium, die Bundesagentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Stadtverwaltung von Celle neue Wege der Mitarbeiterrekrutierung ausprobiert. Beim Pilotprojekt wurden über 8.500 Bewerbungen anonymisiert eingesehen, 246 Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätze wurden erfolgreich besetzt. Die Stellen reichen von der Lehrlingsausbildung über zu vergebende Studienplätze bis hin zu technischen Berufen oder Jobs im Kundenservice.
Die Ergebnisse
Bei der Vorstellung des Abschlussberichtes am 17. April 2012 in Berlin zog die Leiterin der ADS, Christine Lüders, ein positives Fazit: "Unser Pilotprojekt hat gezeigt, dass anonymisierte Bewerbungen den Fokus auf die Qualifikation der Bewerbenden lenken und dabei gut umsetzbar sind. Alle Bewerbenden hatten innerhalb des Verfahrens die gleiche Chance auf eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch – unabhängig davon, ob sie potentiell von Diskriminierung betroffen sind oder nicht." Entscheidend sei die Qualifikation der Bewerbenden gewesen, nicht ihr Aussehen, Geschlecht oder die Herkunft.
Zustimmung seitens der Bewerber
Eine Umfrage unter Bewerbenden, die ein standardisiertes Bewerbungsformular ausgefüllt haben, ergab eine deutliche Zustimmung zum Konzept anonymisierter Bewerbungsverfahren seitens der Arbeitssuchenden. Bei der Frage nach der Präferenz zeigte sich, dass eine Mehrheit das anonymisierte Bewerbungsverfahren bevorzugt. Deutlich wurde auch, dass Bewerbende gut mit dem neuen Verfahren zurechtkommen. 75 Prozent der Befragten gaben an, dass sie für die anonymisierte Bewerbung weniger Zeit benötigten als in herkömmlichen Verfahren oder dass es keinen Unterschied für sie mache, mit welchem Verfahren sie sich bewerben.
Positive Reaktion auch auf Unternehmensseite
Auch die Einschätzung vieler Personalverantwortlicher im Pilotprojekt fiel positiv aus. Das Fehlen persönlicher Angaben in den Bewerbungsunterlagen wie Name, Geschlecht, Alter und Familienstand stellte für die Mehrheit der Personalverantwortlichen kein Problem dar, so Lüders. Viele Beteiligte hätten positiv angemerkt, dass die Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren eine Diskussion der bisherigen Rekrutierungspraxis in der entsprechenden Organisation angeregt habe.