"Da habe ich fast nur Männer gesehen"

Finnlands Botschafterin ist "schockiert" über mangelnde Präsenz von Frauen in deutschen Führungsetagen

 


 

Päivi Luostarinen, Finnlands Botschafterin in Deutschland, begrüßt das Engagement der EU-Kommissarin Viviane Reding für eine europaweite Frauenquote in Unternehmen. Es befremde sie, dass Chefposten in der deutschen Wirtschaft fast nur mit Männern besetzt seien.

Nana Brink: Es könnte keinen besseren Tag geben als heute, um über die Frauenquote zu sprechen, heute am 8. März, dem Internationalen Frauentag. Pünktlich zu diesem Datum streitet man - oder vielleicht können wir an dieser Stelle ja mal sagen: Männer und Frauen - um einen Vorschlag der EU-Kommissarin Viviane Reding, die einen Gesetzesvorschlag zu einer Frauenquote in den Chefetagen erwägt. Und zwar tut sie das nicht, weil sie unbedingt für die Quote ist, sondern, so sagte sie es hier im Deutschlandradio Kultur:

O-Ton Viviane Reding: Das Schneckentempo ist schon beachtlich langsam. Das ist ungenügend aus mehreren Ursachen: Wir haben ja erweisen können, dass Unternehmen mit einer ausgeglichenen Struktur von Frauen und Männern in den Entscheidungen, dass die ein wesentlich besseres Betriebsresultat erwirtschaften als Betriebe mit reinen Männerstrukturen. Und 60 Prozent der Universitätsabsolventen sind Frauen. Wir gebrauchen dieses Talent nicht so, wie wir es tun sollten. Und in Wirtschaftskrisenzeiten ist das nun aber wirklich nicht angemessen.

Brink: Irgendwie ist diese Message in Deutschland noch nicht angekommen. Der Anteil der Chefinnen in börsennotierten Unternehmen ist im vergangenen Jahr um lächerliche 1,5 Prozent gestiegen, ihre Zahl insgesamt: acht Prozent. In Finnland beispielsweise sind es über 27 Prozent. Und am Telefon begrüße ich jetzt die finnische Botschafterin in Deutschland, Päivi Luostarinen, einen schönen guten Tag, Frau Luostarinen!

Päivi Luostarinen: Ja, guten Tag, Frau Brink!

Brink: Was halten Sie vom Vorschlag der EU-Kommissarin?

Luostarinen: Ich muss sagen, dass, auch wenn wir in Finnland schon viele Fortschritte gemacht haben, worüber wir ganz stolz sein können, da gibt es natürlich auch noch vieles zu verbessern. Also, ich kann jetzt nicht direkt das sagen, auch persönlich nicht, und auch unsere Regierung hat jetzt noch keine feste Meinung über eine Quote, ob das also nötig wäre oder ob das helfen würde. Aber etwas muss man tun, das ist schon klar.

Brink: Wie ist denn die Situation der Frauen in Finnland? Fast ein Drittel, haben wir ja gelernt, sind in Führungspositionen … 

Luostarinen: Ja, also, ich muss sagen, dass wir erstens es in Politik ganz gut machen. Wir haben ja eigentlich weltweit als erstes Land volle politische Rechte für die Frauen bekommen, schon vor über 100 Jahren. Und wir haben ja eine Präsidentin gehabt als Frau, wir haben zweimal Ministerpräsidentinnen gehabt, also Präsidentinnen im Parlament, und auch Präsidentin in der finnischen Zentralbank. Und also, jetzt in der Regierung sind ungefähr die Hälfte Frauen. Und im Parlament sind 43 Prozent Frauen. Also, in der Politik geht es ganz gut, würde ich sagen. Und in der Verwaltung auch ziemlich gut. Also, die Frauen haben schon in dem Mittelstand Führungspositionen. Ich würde sagen, in einigen Ministerien sind sogar die Mehrheit Frauen. Aber in Unternehmen ist die Situation noch nicht so gut.

Brink: Sie haben ja in Finnland auch eine Frauenquote von 40 Prozent in allen öffentlichen Gremien. Hat das geholfen in Finnland?

Luostarinen: Ja, also, ich muss sagen, ich habe sogar auch persönliche Erfahrungen. Also, das heißt: Es ist nicht 40 Prozent für Frauen, sondern 40 Prozent Frauen oder Männer. Also, das gilt ja für beide. Das heißt, dass beide Geschlechter repräsentiert sein müssen. Und das hat tatsächlich geholfen in dem Sinne, dass, wenn man überlegen musste, ob es auch gute Frauen gibt, dann hat man immer die guten Frauen gefunden.

Brink: Ist denn dafür verantwortlich auch, dass es in Finnland vielleicht ein anderes gesellschaftliches Klima gibt? Sie haben ja gesagt, man hat auch gesucht. Also, die Frauen gibt es ja, das wissen wir ja, man muss sie nur finden.

Luostarinen: Ja, genau. Ja, in dem Sinne, also dass … Ich finde, wenn man ein bisschen Druck hat, dann findet man schon gute Frauen. Aber das gilt, finde ich, auch in den Unternehmen, dass gerade - das hat mir sehr gefallen, was Frau Reding gesagt hat -, dass man alle Talente braucht. Es ist ja nicht gut, dass man nicht alle guten Ressourcen in der Gesellschaft benötigt, sondern die Frauen können auch in den Unternehmen viele positive Wirkungen haben.

Brink: Das heißt, Sie würden auch sagen, trotz des Erfolges, den Sie ja beschrieben haben, braucht es zum Beispiel auch in Finnland Druck, noch mehr, oder vielleicht auch eine Quote im wirtschaftlichen Bereich?

Luostarinen: Ja, also, Druck auf jeden Fall, das würde ich sagen. Jetzt haben wir so eine Selbstregelung in Finnland, dass in den börsennotierten Unternehmen man in den Vorständen beide Geschlechter haben sollte. Wenn man das nicht hat, dann sollte man erklären, warum ist das nicht möglich gewesen. Und man hat jetzt ein bisschen positive Entwicklung gehabt: Wie Sie gesagt haben, haben wir ungefähr 26 Prozent, habe ich als Zahl hier jetzt in den großen börsennotierten Firmen, also in den Vorständen, sind Frauen. Aber wir haben zum Beispiel kein einziges CEO, also Geschäftsführer in den börsennotierten Firmen in Finnland zurzeit.

Brink: Trotzdem kann man ja immer nur neidisch als Frau gerade natürlich auf Finnland gucken, in Deutschland sieht es ja ganz anders aus, ich habe die Zahl gesagt, acht Prozent. Und bei uns gibt es ja auch eine Diskussion und da gehen die Meinungen ja querbeet. Also, die Arbeitsministerin ist dafür, die Bundeskanzlerin, die Familienministerin dagegen. Wie empfinden Sie denn diese Diskussion hier in Deutschland?

Luostarinen: Ja, also … Ich finde, erstens ist es sehr wichtig, dass man darüber diskutiert, dass man mehr über diese Probleme weiß. Also, ich habe selbst auch keine ganz klare Meinung, ob die Quoten in diesem Sinne gut wären. Vielleicht, es kann sein. Aber ich finde, es ist enorm wichtig, dass man darüber diskutiert und ein bisschen Druck, also mehr Druck damit gibt.

Brink: Wie haben Sie denn Ihren Aufstieg zur Botschafterin erlebt? War das ein ganz gerader Weg für Sie als Frau?

Luostarinen: Ja … Das ist eine gute Frage! Also, ich muss sagen, dass als eine Frau man sehr viel arbeiten muss.

Brink: Also auch in Finnland!

Luostarinen: Ja, in Finnland, ja. Und unsere vorige Präsidentin Frau Halonen hat schon manchmal gesagt, dass die Frauen, die in Führungspositionen kommen, doppelt so viel arbeiten und doppelt so gut sein müssen wie die Männer. Also, das ist ein bisschen übertrieben, aber ich denke, dass die Frauen, die zehn Jahre oder 20 Jahre jünger sind, das leichter haben werden. Aber zurzeit haben wir, in den letzten Jahren, auch ziemlich viele Botschafterinnen bekommen.

Brink: Sie bewegen sich ja nun in Berlin hier, in der Hauptstadt, auf dem internationalen Parkett. Haben Sie manchmal den Eindruck, als Botschafterin immer noch in einer Männerwelt zu leben?

Luostarinen: Ja, also … In der Verwaltung gibt es hier auch ziemlich viele Frauen. Und leider habe ich nur, ich glaube, zwölf oder 13 Kolleginnen als Botschafterinnen hier. Das sind meistens Männer. Aber ich war einmal in einer Sitzung von deutschen Unternehmern. Und da, muss ich sagen, habe ich fast nur Männer gesehen. Also, das hat mich ein bisschen schockiert, muss ich sagen, ja!

Brink: Die finnische Botschafterin in Deutschland Päivi Luostarinen, schönen Dank für das Gespräch!

Luostarinen: Vielen Dank, Frau Brink!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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