EU einigt sich auf Fiskalvertrag

 

 

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Im Rahmen ihres informellen Gipfeltreffens in Brüssel einigten sich die Staats- und Regierungschefs aus zunächst 25 der 27 EU-Mitgliedstaaten auf einen neuen finanzpolitischen Vertrag. Mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und der Tschechischen Republik werden die EU-Mitglieder beim Europäischen Rat Anfang März den Fiskalvertrag unterzeichnen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bewertete das Treffen mit der Einigung auf einen Fiskalvertrag als wichtigen Schritt hin zu einer Stabilitätsunion.

Nationale Schuldenbremsen

Im Fiskalvertrag verpflichten sich die Vertragsparteien unter anderem zur Einführung strikter nationaler Schuldenregeln. Innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten des Vertrages müssen verbindliche und dauerhafte – vorzugsweise verfassungsrechtliche – Regelungen dafür Sorge tragen, dass das jährliche konjunkturbereinigte Defizit eines Vertragsstaates künftig grundsätzlich nicht mehr als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beträgt.

Ähnlich wie bei der deutschen Schuldenbremse werden bei der Defizitberechnung konjunkturelle Schwankungen berücksichtigt. Einmaleffekte und außergewöhnliche Notsituationen bleiben bei der Kalkulation außen vor.

Die Umsetzung der Schuldenbremsen in nationales Recht wird durch die Europäische Kommission  geprüft. Kommt die Europäische Kommission zu dem Ergebnis, dass ein Mitgliedstaat die Schuldenbremse fehlerhaft umsetzt, können die übrigen Vertragspartner einzeln oder gemeinschaftlich vor dem Europäischen Gerichtshof auf die Einhaltung der Schuldenregel klagen. Die Nichtbefolgung einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs kann Zwangsgelder nach sich ziehen, die grundsätzlich an den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu zahlen sind.

Durch das Zusammenspiel von nationalen Schuldenbremsen und einem überzeugenden Sanktionsmechanismus erhalten die notwendigen Konsolidierungs- und Reformanstrengungen in Europa neben Glaubwürdigkeit auch Verbindlichkeit. Dies ist ein klares Vertrauenssignal an Konsumenten, Unternehmen und Finanzmärkte weltweit.

Verknüpfung des Fiskalvertrages mit dem ESM

Die Gewährung von Unterstützungsmaßnahmen durch den ESM ist eng mit dem neuen finanzpolitischen Vertrag verzahnt. Auf diese Weise unterstreichen die Staats- und Regierungschefs, dass finanzielle Solidarität und finanzielle Solidität zwei Seiten einer Medaille sind. Wer künftig Hilfen aus dem ESM-Vertrag in Anspruch nehmen will, muss die nach dem Fiskalvertrag erforderliche nationale Schuldenbremse eingeführt haben. Durch diese Verbindung besteht für die Mitgliedstaaten ein starker Anreiz für eine schnelle nationale Umsetzung der neuen Regeln.

Automatische Sanktionen

Die Einleitung eines bereits nach dem bisherigen Stabilitäts- und Wachstumspakt bei einer zu großen Neuverschuldung möglichen Defizitverfahrens erfolgt künftig automatisch. Übersteigt die Neuverschuldung den Referenzwert von drei Prozent kann nur eine qualifizierte Mehrheit im Rat der Wirtschafts- und Finanzminister das Verfahren noch stoppen.

Insgesamt haben die Staats- und Regierungschefs mit dem Fiskalvertrag den Grundstein für eine neue Stabilitätskultur in Europa gelegt.

Wachstum und Beschäftigung

Neben dem Fiskalpakt berieten die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten die Themen Wachstum und Beschäftigung. Hauptaugenmerk legten sie dabei insbesondere auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sowie auf die Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen. "Wir waren uns einig, dass junge Menschen sehr schnell ein Angebot bekommen müssen, wenn sie nach dem Verlassen der Schule arbeitslos sind", sagte Merkel. "Dazu haben sich jetzt alle Mitgliedstaaten verpflichtet." Sie verwies dabei auf die deutsche Erfahrung bei der betrieblichen Ausbildung.

Verfügbare Mittel aus Struktur- und Sozialfonds umwidmen

Die EU-Länder wollen mehr Geld in Projekte stecken, die das Wirtschaftswachstum ankurbeln und Arbeitsplätze für junge Menschen schaffen. Hierzu wollen sie vorhandene Mittel umwidmen, die aus den Struktur- und Sozialfonds der Europäischen Union verfügbar sind. Derzeit sind aus den Strukturfonds noch 82 Milliarden Euro vorhanden, die bisher nicht konkret verplant sind.

"Die Mittel, die den Ländern zugeteilt sind, bleiben natürlich bei den Ländern", betonte die Kanzlerin. Die Länder dürften ihre Projekte so umwidmen, dass sie insbesondere der Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen dienten.

Kleine und mittlere Unternehmen bilden das Rückgrat der europäischen Wirtschaft

Der Europäische Rat hob in seiner "Erklärung zu Wachstum und Beschäftigung" die Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen hervor. Deshalb wollen die Mitgliedstaaten diese Unternehmen beispielsweise durch den Einsatz von Projektanleihen unterstützen. Das soll zu einer verstärkten Mobilisierung privater Finanzmittel für Infrastrukturvorhaben führen. Alle Maßnahmen sollen eine weitere Kreditverknappung für die Unternehmen verhindern.

Vollendung des Binnenmarkts

Den Binnenmarkt sieht der Europäische Rat als "eine der Haupttriebfedern für das Wirtschaftswachstum in Europa". Deshalb sei es notwendig, die Möglichkeiten des Binnenmarktes und nicht zuletzt die Potenziale der Dienstleistungsrichtline besser auszuschöpfen, erklärte Merkel.

An der Wachstumsinitiative wollen sich bis auf Schweden alle Mitgliedstaaten der EU beteiligen.

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