Bei einer Bundesbehörde hat`s mit der Ausbildung geklappt

 

 

Sabine D. (Name geändert) hat Rheuma. Diese Entzündung betrifft bei ihr die großen Gelenke. Festgestellt wurde die Krankheit, als sie in der 1. Klasse war. Sie hat fast immer Schmerzen, aber "man gewöhnt sich daran. Mal ist es besser, mal schlechter, das Rheuma gehört ja irgendwie zu mir", sagt sie. Nach dem Abitur wollte sie Psychologie studieren. Doch ihr Notendurchschnitt hatte keine Eins vor dem Komma. Ihr anderer Wunschberuf Mediengestaltung wäre körperlich zu anstrengend gewesen. Die Reha-Beraterin beim Arbeitsamt legte ihr eine Ausbildung in einem Berufsbildungswerk für Körperbehinderte nahe.
 
Damit war Sabine D. gar nicht einverstanden: "Ich wollte keine Sonderbehandlung in einer Sondereinrichtung für Behinderte, sondern eine normale Ausbildung wie jeder normale Mensch." Sie bewarb sich bei verschiedenen Bundesbehörden. Bei einer hatte sie Erfolg: ein Ausbildungsplatz zur Fachangestellten für Bürokommunikation.
 

Kein Mitleidsbonus im Auswahlverfahren nötig

 
Patricia Orlowski hat Mukoviszidose. Bei der Stoffwechselerkrankung verschleimen zum Beispiel die Lungen. Mehrmals im Jahr muss sie deshalb ins Krankenhaus. Als sie einen Ausbildungsplatz suchte, hat sie aus ihrer Behinderung keinen Hehl gemacht. Ihre Erfahrungen: "Ich habe mich nach dem Abitur in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst als Bürokauffrau und als Fachangestellte für Bürokommunikation beworben und mehrere Einladungen zu Auswahltests erhalten." Schließlich hat es beim Bundeskriminalamt geklappt.
 
Gab es vielleicht einen "Mitleidsbonus"? Patricia Orlowski sagt: "Ich fühlte ich mich bei den Auswahlverfahren nicht mit Sonderstatus behandelt. Aber vielleicht habe ich den Vorteil, dass man mir meine Behinderung nicht ansieht."
 

Bundesbehörden bilden aus

 
Im Jahr 2010 haben die Bundesbehörden 161 behinderte junge Menschen ausgebildet. Die meisten Auszubildenden mit Behinderungen sind Fachangestellte für Bürokommunikation geworden. Die anderen werden zum Beispiel Bürokaufleute oder Fachinformatiker. Beim Bundesministerium des Inneren gibt es einen  IT- Ausbildungsverbund der Bundesbehörden in Berlin (ITAB). Hier werden jährlich 20 bis 25 Ausbildungsplätze für behinderte Menschen angeboten. Bei der Bundespolizei werden aktuell 14 Schwerbehinderte ausgebildet.
 

Rücksichtnahme ist notwendig

 
Wenn Bundesbehörden Ausbildungs- oder Arbeitsplätze ausschreiben, werden Schwerbehinderte immer zu einer Bewerbung aufgefordert. Werden sie eingestellt, gehen die Behörden auf die Bedürfnisse ihrer behinderten Mitarbeiterin oder ihres Mitarbeiters ein.
 
Patricia Orlowski konnte zum Beispiel vereinbaren, die Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren. Während der Krankenhausaufenthalte haben ihre Mit-Auszubildenden sie besucht und mit dem laufenden Lernstoff versorgt. Auch der Ausbildungsleiter  hat zwischendrin mit ihr telefoniert, ihr geschrieben oder sie besucht. Im August 2011 hat sie ihre Abschlussprüfung bestanden. Nun arbeitet sie – wie die anderen Absolventen ihres Jahrgangs – mit einem befristeten Übernahmevertrag.
 
Patricia Orlowski resümiert: "Es hängt sehr vom Umfeld und vom eigenen Willen ab, ob man als Behinderte erfolgreich ist. Man braucht Unterstützung. Aber als Behinderte lebt man immer auch mit einem besonderen Druck, die Leistung genauso wie alle anderen zu bringen."


Allen jungen Menschen eine Chance geben

 
Viele Arbeitgeber scheuen sich davor, Behinderte einzustellen, weil sie vielleicht nicht so leistungsfähig oder häufiger krank sind. Arbeitsplätze behindertengerecht einzurichten können sich manche Arbeitgeber nicht vorstellen. Aber: Jeder Arbeitgeber mit mehr als 20 Arbeitsplätzen, muss fünf Prozent der Stellen mit behinderten Menschen besetzen. Andernfalls muss er eine Abgabe zahlen. Oft wird lieber die Abgabe gezahlt.
 
Ganz anders denkt da der Ausbildungsleiter des Bundeskriminalamts Berlin, Jürgen Gräf. Er bildet Fachangestellte für Bürokommunikation, Kraftfahrzeugmechatroniker und Bürokaufleute aus. Dabei sind auch junge Erwachsene mit Handicaps. "Ich sehe es als Verpflichtung, behinderten Menschen eine Möglichkeit zu geben," sagt er
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