Technik ist was für Frauen

 



Stephanie Schule und Josephin Hoffmann beugen sich über eine Apparatur. Auf einem kleinen Fließband läuft ein Metallklotz entlang, vorbei an einem Sensor. Zischend fährt ein Kolben aus und stößt den Klotz in einen Behälter links vom Band. Die 21-Jährige Stephanie zeigt ihrer vier Jahre jüngeren Kollegin ihre Förderanlage, die Teil der gerade bestandenen Abschlussprüfung zur Mechatronikerin ist. Ein kleines Wunderwerk aus Mechanik, Hydraulik, Pneumatik und viel Elektronik.
 
Stephanie begeistert sich für Technik. Bis zur 11. Klasse besuchte sie das Gymnasium. Bereits in der Schule mochte sie am liebsten Mathe und Physik. In den Sommerferien machte sie mehrere technische Praktika. Da kam die Entscheidung für einen eher von Männern ausgewählten Beruf nicht überraschend. Ihre Eltern haben sie bei der Wahl ihrer Ausbildungsstelle unterstützt. Der Vater ist selbst Techniker.
 
Stephanie nutzt ein besonderes Angebot, dass das Berliner Schulgesetz und die Firma Siemens ermöglichen: Sie macht neben der Berufsausbildung das Fachabitur. Dafür braucht sie zwar sechs Monate länger. Doch nach insgesamt vier Jahren hat sie eine Ausbildung und die Zugangsberechtigung für ein Fachhochschulstudium in der Tasche: "Eine enorme Zeitersparnis. Außerdem hat man schon mal was sicher, falls es mit dem Studium doch nicht klappen sollte."
 



 

 

Nur zwei Mädchen in der Gruppe

 
Josephin hat gerade erst angefangen mit ihrer Ausbildung. Sie wird Zerspanungsmechanikerin. Dieser Beruf hat sich in den letzten Jahren vom einfachsten Metallberuf zu einem ingenieurnahen Betätigungsfeld entwickelt. Er ist für junge Frauen offenbar noch nicht attraktiv. In Josephins Gruppe lernt nur ein weiteres Mädchen. Damit hat die Auszubildende überhaupt kein Problem, weil sie sich schon immer besser mit Jungen verstanden hat.
 
Nach dem Realschulabschluss bewarb sie sich bei Siemens. Auch ihr Interesse lag besonders in den Fächern Mathe und Arbeitslehre. "Für mich stand immer fest: Bloß kein Bürojob! Ich wollte immer etwas Handwerkliches machen." Ihre Freundinnen haben eher Ausbildungen zur Kindergärtnerin, Hotelfachfrau oder Bürokauffrau begonnen. Trotzdem hat ihr Umfeld durchgängig positiv auf Josephins Entscheidung reagiert: "Mein Vater fand es total gut und meine Freunde sagen, der Job passt zu mir!" Das Lernen zusammen mit den Jungens funktioniert ausgezeichnet. Die Berufsschullehrer sind der Meinung, dass die gemischten Klassen ruhiger und konzentrierter lernen als die reinen Jungenklassen.
 
Stephanie und Josephin sind immer noch Ausnahmen. Nach wie vor interessieren sich zu wenige junge Frauen für technische und naturwissenschaftliche Berufe. Damit schöpfen sie ihr Potenzial und ihre beruflichen Möglichkeiten nicht aus, zumal zunehmend in den technischen Betrieben qualifizierter Nachwuchs fehlt.
 
Obwohl Studienanfängerinnen mehr als die Hälfte aller Erstsemester an deutschen Hochschulen stellen, entscheiden sich nur weniger als ein Viertel für ein naturwissenschaftlich-technisches Studium. Dabei äußerten sich 40 Prozent der studienberechtigten jungen Frauen in einer Befragung als prinzipiell technisch-naturwissenschaftlich interessiert. Das sind circa 250.000 Schülerinnen in der Sekundarstufe II.

Einen nationalen Pakt

Um junge Frauen für einen MINT-Beruf (Mathematik, Informatik,Naturwissenschaften, Technik) zu begeistern, haben sich Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit, Unternehmen, Verbände, Gewerkschaften, Hochschulen, Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen, Frauen-Technik-Netze, Medien und öffentlichen Einrichtungen zu einem Nationalen Pakt zusammengeschlossen. Es gilt, das Potenzial von Frauen für naturwissenschaftlich-technische Berufe angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels zu nutzen.

 

Beste Chancen auch im Verdienst

 
Technische und naturwissenschaftliche Berufe bieten attraktive Karriere- und Verdienstmöglichkeiten. Nach einer Studie von 2008 sind mit 97 Prozent fast alle Fachhochschulabsolventen der Fächer Elektrotechnik, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen erwerbstätig. Ihre Gehälter liegen weit über dem Durchschnitt.
 
Im Mai 2010 gab es 29.000 mehr offene Ingenieursstellen als arbeitslos gemeldete Ingenieurinnen und Ingenieure. Experten rechnen damit, dass diese "Ingenieurslücke" bald drastisch wachsen wird. Von den insgesamt 662.384 sozialversicherungspflichtig im Ingenieursberuf Beschäftigten sind nur 12 Prozent Frauen. Deshalb ist es ein Ziel des nationalen Pakts, mehr interessierte junge Frauen für ein technisches Studium zu begeistern.
 
Auch der jährliche Girl's Day bietet Schülerinnen die Gelegenheit, Ausbildungsberufe und Studiengänge in Technik, IT, Handwerk und Naturwissenschaften kennenzulernen. Die Berufsberatungen der Agenturen für Arbeit raten Mädchen, offen zu sein bei der Wahl ihres Berufes. Technik kann so spannend sein!

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