Junge deutsche Frauen strotzen vor Selbstbewusstsein. 90 Prozent sagen, es sei für sie wichtig, auf eigenen Beinen zu stehen, fast ebenso viele möchten finanziell unabhängig sein. 78 Prozent wollen Verantwortung in Beruf und Gesellschaft übernehmen. Dies bedeutet keine Absage an Kinder und Familie. 90 Prozent der jungen Frauen wollen Kinder. „Noch vor einigen Jahren stellten sich Frauen bewusst die Frage, ob sie Kinder haben oder Karriere machen wollen. Das ist vorbei, heute wollen sie selbstverständlich beides, übrigens unabhängig von ihrem Bildungsniveau“, sagt Professor Jutta Allmendinger vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Das Institut hat mit der Frauenzeitschrift „Brigitte“ die repräsentative Studie „Frauen auf dem Sprung“ erarbeitet, in der Frauen zwischen 17 und 19 sowie 27 und 29 Jahren nach ihrem Selbstverständnis befragt wurden.
„Das Ergebnis überrascht mich. Als ich 19 war, hatte ich ein traditionelles Bild vor Augen, wollte Kinder, Ehe und wenig Verantwortung“, sagt Birgit Wicker. Die 39-Jährige hat den Sprung nach oben geschafft hat. Auf die zehn und zwanzig Jahre jüngeren Frauen blickt sie dennoch mit einer gewissen Bewunderung. Die Mutter einer dreijährigen Tochter arbeitet als selbstständige Mediaberaterin in Berlin. Lange schob sie den Kinderwunsch vor sich her, dann kündigte sie ihre Spitzenposition in der Werbebranche. „Ich hatte einen 12-Stunden-Tag, das wäre mit Kind nicht gegangen“, sagt sie. Sich selbstständig zu machen war ihre Chance, den Anschluss an die schnelllebige Medienwelt nicht zu verlieren. Die neue Familienpolitik mache Frauen zwar manches leichter, aber die Balance zwischen Kind und Beruf zu halten, sei noch schwierig.
Appell an Wirtschaft und Gesellschaft
Das sehen auch die jungen Frauen so. Nur 16 Prozent gaben an, dass sich Familie und Job leicht vereinbaren ließen. Jutta Allmendinger versteht die Brigitte-Studie deshalb auch als Appell an Wirtschaft und Gesellschaft, das Potenzial, das die hoch motivierten Frauen darstellen, besser zu nutzen. Dazu bräuchte es mehr Möglichkeiten, nach der Geburt von Kindern wieder ins Arbeitsleben einzusteigen: „Die demografische Entwicklung wird dazu führen, dass es bald zu wenig gut ausgebildete Arbeitskräfte gibt. Die Frauen werden gebraucht. Wenn die Männer in der Familie nicht auch Hand anlegen, riskieren sie, dass Frauen ihr Ding allein durchziehen.“
Setzte sich der Dreiklang weiblicher Bestimmung lange aus Kindern, Küche, Kirche zusammen, so ist er heute als Kinder, Küche, Karriere gesellschaftlich anerkannt. Die Studie legt den Schluss nahe, dass Karriere aber längst nicht mehr nur für Selbstverwirklichung steht, auch vor großer Verantwortung haben die allermeisten Frauen keine Angst mehr. „Ein Drittel sieht sich eher im Chefsessel als im Vorzimmer“, sagt Allmendinger. 95 Prozent erwarten, dass ihnen ihr Partner Zeit für sich selbst lässt. Der weibliche Dreiklang des Jahres 2008 klingt deutlich nach Kindern, Karriere, Kontrolle.
„Die jungen Frauen sind viel selbstbewusster, als ich es noch war. Meine Mutter lebte mir ein traditionelles Verhalten vor, sie war nicht berufstätig, hat sich oft gelangweilt“, sagt Birgit Wicker. „Früher galten Frauen mit Job als Rabenmütter. Unsere Studie zeigt aber, dass die jungen Frauen ein ganz anderes Bild von ihren berufstätigen Müttern haben. Das Vertrauensverhältnis ist besser, wenn sich die Mütter nicht den ganzen Tagen um alles gekümmert haben“, sagt Jutta Allmendinger.
Die Wissenschaftlerin untersuchte auch, wie junge Männer ihre Altersgenossinnen einschätzen. Ergebnis: Männer hängen einem traditionellen Rollenverständnis an, das damit, wie sich junge Frauen sehen, kaum noch etwas gemein hat. 80 Prozent der Männer sagen, das Aussehen sei für Frauen das höchste Gut, sie wollten vor allem dünn sein, Markenkleidung tragen und heiraten. Von den Frauen dagegen halten nur knapp über 60 Prozent das eigene Äußere für so entscheidend; dünn sein, heiraten, die klassischen Mädchenträume interessieren kaum. Noch dramatischer sind die Fehleinschätzungen, wenn es um den Beruf geht. Dass Frauen auf eigenen Beinen stehen wollen, glauben nur 65 Prozent der Männer, dass sie Verantwortung übernehmen wollen nur etwas über 50 Prozent. Doch auch Frauen wenden auf Männer nach wie vor traditionelle Muster an. Der karriere- und geldgeile Macho, in den Köpfen vieler Frauen spukt er noch herum. „Gesellschaftliche Korsette sind immer noch sehr wirkungsmächtig“, sagt Jutta Allmendinger.
Die Brigitte-Studie zeigt damit auch, dass junge Frauen ihren Wunsch, Familie und Karriere zu verbinden, am ehesten umsetzen könnten, wenn sie die Männer von ihrer Motivation überzeugen. Denn die haben bisher noch keine rechte Vorstellung davon, was Frauen wirklich wollen.