Stark mit Lerntandems

 



Von Lerntandems sind bei Mahle Behr Industry in Reichenbach, Sachsen, alle überzeugt. Jüngere und ältere Beschäftigte in dem Betrieb bilden Lernpartnerschaften, wobei Ältere wie Jüngere dazulernen. Ältere geben an die Jüngeren ihr Erfahrungswissen weiter, Jüngere lehren die Älteren im Umgang mit den computergesteuerten Technologie.

Als Wissensträger aus Altersgründen kurz vor dem Ausscheiden standen, hat der Betrieb das Junior-Senior-Programm eingeführt. "Das Wissen sollte auf keinen Fall verlorengehen", erzählt Petra Meißner, Personalleiterin des 420 Beschäftigte zählenden Betriebs. Bei einem Altersdurchschnitt von 42 Jahren galt es, nach dem Ausscheiden der Wissensträger nicht in ein Loch zu fallen.

Ältere Kollegen lernen Internet und Computer von jüngeren

Erfahrene Ingenieure kennen zwar Kniffe, über die selbst Hochschulprofessoren staunen, aber "im Umgang mit dem Internet oder Computerprogrammen sind die, die frisch von der Uni kommen, oft fitter", so Meißner. "Die älteren Kollegen arbeiten oft umständlich und lernen dann, wie es schneller geht."

Mit Hilfe von Experten aus dem Sächsischen Technologiezentrum entwickelte der Betrieb daneben die Behr-Wissens-Box. Darin ist das übertragene Wissen aus den Lerntandems systematisch für alle festgehalten und besteht im Einzelnen aus:

  • einer Aufgabensammlung für Lerngebiete der Ausbildung, Einarbeitung oder Weiterbildung,
  • betriebsspezifischen Musterlösungen für Lernprozesse und
  • einem Leitfaden, um die methodische Kompetenz im Lerntandem zu erhöhen.

Lerntandem zunächst skeptisch beäugt

"Die Erfahrungen mit dem innerbetrieblichen Wissenstransfer war so positiv, dass es das Junior-Senior-Programm weiterhin gibt", wie Meißner berichtet. Derzeit gebe es Lerntandems in der Produktion und im Einkauf. Dabei müsse das Tandem nicht unbedingt aus nur einem Älteren und einem Jüngeren bestehen. "Es können auch einmal zwei Ältere und ein Jüngerer sein. Oder auch zwei Ältere und sechs Jüngere – so, wie es gerade sinnvoll erscheint."

Kurzfristig mag das Junior-Senior-Programm zeitlich aufwändig sein, weswegen es von Kollegen im Betrieb zunächst skeptisch beäugt wurde, erzählte Meißner. "Klar, der tägliche Betrieb darf aber nicht zu kurz kommen."

Langfristig würden sich die Lerntandems für die Beschäftigten und den Betrieb auszahlen: Denn die Beschäftigten erführen fortlaufende Weiterbildung und somit sicherere Arbeitsplätze. Zwar sinkt das Risiko, arbeitslos zu werden, wenn die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter abnimmt. Dennoch können Beschäftigte entlassen werden, wenn sie die Anforderungen nicht mehr erfüllen.

Für den Betrieb zahlen sich die Lerntandems auf jeden Fall aus. Denn der Betrieb erhält mit den Lerntandems einsatzfähiges Personal. Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit. Für den Hersteller von Klima- und Kühlsystemen für Busse, Landmaschinen, Schienenfahrzeuge, Sonderfahrzeuge und die Luftfahrt ist das nicht unwichtig.

Mit zunehmendem Alter erwerbsfähig bleiben

Wie wichtig es ist, dass ältere Menschen möglichst lange erwerbsfähig bleiben, zeigt ein Blick auf die Bevölkerungsstruktur: Der Anteil der 50- bis 64-Jährigen ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wird dieser Anteil auch in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Seit 2000 nehmen Ältere entsprechend immer häufiger am Erwerbsleben teil. So ist die Erwerbstätigkeit der 50- bis 64-Jährigen stärker gestiegen als die der 15- bis 64-Jährigen.

Die Erwerbstätigenquote der Älteren zwischen 2000 und 2010 gestiegen

Die Anzahl der Erwerbstätigen von 50- bis 64-Jährigen an der Gesamtbevölkerung in dieser Altersgruppe lag laut Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes 2010 bei 66 Prozent. Zehn Jahre zuvor hatte diese Erwerbstätigenquote noch bei 48 Prozent gelegen. Zwar war und ist die Erwerbstätigenquote umso niedriger, je älter die betrachtete Gruppe. Wesentlich ist aber die Veränderung: Je älter die Gruppe, desto größer die Veränderung. Während die Quote der 50- bis 54-Jährigen zwischen 2000 (74,1 Prozent) und 2010 (80,2 Prozent) um 8 Prozent steig, nahm sie bei den 55- bis 59-Jährigen von 56,5 auf 71,3 Prozent um 26 Prozent und bei den 60- bis 64-Jährigen von 19,9 auf 40,8 Prozent gar um 105 Prozent zu.

Deswegen stünden reguläre Weiterbildungen zusätzlich auf dem Plan, so Personalleiterin Meißner. "Zum Beispiel bilden die REFA-Ausbildungen (Methodenlehre zur Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung) die Grundlage vieler Aufgabenbereiche im Betrieb. Und für den Einkaufsbereich finden theoretische Verhandlungstrainings statt, die danach in der Praxis geübt werden."

Für den Reichenbacher Standort des weltweit agierenden Zuliefererunternehmens gehören die Lerntandems auch künftig zum Unternehmenskonzept. "Wir schreiben die Wissens-Box dabei natürlich fort, denn es kommen immerzu neue Techniken dazu," sagte Meißner begeistert. "Es ist ein bisschen wie Mentoring." Als Zuständige fürs Personal sehe sie, dass das Verständnis über die Altersgrenzen hinweg mit den Lerntandems zugenommen hat. Das sei gut für den gesamten Betrieb.

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